„Ohne Begeisterung“ ist beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) der Koalitionsvertrag zwischen der CDU/CSU und der SPD aufgenommen worden. Einigen generellen positiven Ansätzen stünden unklare Positionen sowie „unverhältnismäßige Fokussierung auf die Werbung“ gegenüber.
Der ZAW begrüßt in seiner heutigen Mitteilung, dass die künftige Bundesregierung Unternehmen von Überregulierungen befreien will – insbesondere durch Abbau von statistischen Pflichten, der Vereinfachung sowie Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren oder der Messung bestehender bürokratischer Lasten durch Bundesgesetze für die Wirtschaft. Zusätzlich soll ein „Normenkontroll-Rat“ beim Bundeskanzleramt Gesetzesinitiativen „auf ihre Erforderlichkeit und die damit verbundenen bürokratischen Kosten“ überprüfen. Sollte die Koalition „unverhältnismäßige Regulierungen“ der kommerziellen Werbung planen, ergäben sich laut ZAW aus dem Ziel des Bürokratieabbaus und der Tätigkeit des Normenkontroll-Rats werbepolitische Ansatzpunkte.
Im Bereich des Jugendschutzes hat sich die neue Regierung zum Ziel gesetzt, eine deutliche Abnahme der Verschuldung junger Menschen zu erreichen. In Zusammenarbeit mit dem Verbraucherschutz sollen Selbstverpflichtungen der Kreditinstitute erreicht werden. Der ZAW befürchtet in diesem Zusammenhang, dass neue bürokratisch wirkende Regeln geschaffen werden, die nicht erforderlich sind – also Selbstregulierung missbraucht wird. Desweiteren befürchtet der ZAW, dass vor allem auch die Werbung der Kreditinstitute ins Visier gerät.
Bei der Verbraucherpolitik setzt die Koalition in ihrem Vertragstext nicht auf bürokratische Reglementierungen, sondern auf die gestaltende Funktion im Wettbewerb. Leitbild soll der mündige Verbraucher als eigenverantwortlich handelnder Konsument und Marktteilnehmer sein.
Im Gegensatz dazu steht nach Auffassung des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft die „indirekte Schuldzuweisung an die Werbung“ im Zusammenhang mit gesunder Ernährung – ein Thema, dass die Regierung „stärker aufgreifen“ will. Den Schwerpunkt ihrer Politik in diesem Zusammenhang sieht sie „insbesondere in der Verantwortung der Wirtschaft für ihre Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen“. Der ZAW unterstellt hier, dass unter einem Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) und der künftigen Vorsitzenden des Verbraucherausschusses im Deutschen Bundestag, Bärbel Höhn (Die Grünen), die Auseinandersetzung mit der Lebensmittelwirtschaft und ihrer Werbung „intensiv populistisch“ behandelt werde. Hier würden sich alle betroffenen Wirtschaftskreise einschließlich Medien und Agenturen solidarisch zur Wehr setzen müssen.
In puncto Europapolitik betont das neue Regierungsbündnis, dass es „nachdrücklich“ die im März 2005 reformierte Lissabon-Strategie der EU für mehr Wachstum und Beschäftigung durch Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft unterstützt. In diesem Zusammenhang sieht sie als zentralen Faktor die Deregulierung des bestehenden Gemeinschaftsrechts. Inwieweit es CDU/CSU und SPD damit ernst ist, soweit es die kommerzielle Werbung betrifft, lässt der Koalitionsvertrag laut ZAW offen. Es heiße lediglich, dass Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene möglichst früh durch Berlin beeinflusst werden sollten. „Dies betrifft zur Zeit vor allem den Entwurf der Verbraucherkredit-Richtlinie, den Verordnungsentwurf über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln und die aktuellen Diskussionen um Alkohol- und Tabakwerbeverbote“. Die Werbebranche wird sich „auf alle möglichen Wendungen einzurichten haben“, so der ZAW abschließend.